Praktikum Emily - Frühjahr 2019
8 Wochen, die mein Bild der Welt verändert haben!
Hallo, ich bin Emily!
19 Jahre alt und studiere Grundschullehramt im vierten Semester an der Julius-MaximiliansUniversität in Würzburg. In diesem Frühjahr hatte ich die Chance ein 2-monatiges Praktikum als
Englischlehrerin in dem Waisenhaus ANAK DOMBA zu machen und von dieser, für mich
abenteuerlichen Zeit möchte ich euch gerne erzählen!
Am 17.02.2019 startete ich meine Reise nach Bali. Vom Frankfurter Flughafen ging es in einer 24-stündigen Anreise über Katar nach Denpasar, in die Hauptstadt Balis. Nach einem zweitätigen Aufenthalt im Süden, machte ich mich mit dem Bus in einer vierstündigen Fahrt auf in den Norden nach Lovina, wo ich von dem derzeitigen Praktikanten David herzlich empfangen wurde. Gemeinsam fuhren wir mit dem Roller nach Tegal Linggah zum Waisenhaus ANAK DOMBA. Als ich die Einfahrt herunter lief, sahen mich schon zahlreiche Kinder mit großen Augen und lachenden Gesichtern an! Mein erster Eindruck: Hier werde ich mich wohl fühlen! Und das bestätigte sich auch! Freundlich wurde ich von allen Kindern, von der Waisenhausmama Eny und den Angestellten, Mr. Lie und Mrs. Adriana begrüßt. Zu Beginn waren die Kids zwar noch etwas zurückhaltend, aber das legte sich schon nach kurzer Zeit!
Bei der Hausführung zeigte sich, wie stolz die Kinder auf ihr Zuhause sind. Und auch ich war mehr als begeistert von all dem, was der Verein ANAK DOMBA Bali in einer so kurzen Zeit aufgebaut hat! Live und in Farbe wirkt es eben doch nochmal anders, als auf den Bildern, die ich zuvor gesehen hatte. Doch noch am Tag meiner Ankunft hat sich mein erster Eindruck von der vermeintlichen Idylle gewandelt und mir ist klar geworden, dass hier noch viel Unterstützung notwendig ist. Bei der Besichtigung des Unterrichtsraums mussten wir mitfeststellen, dass ein großes Loch an der Decke entstanden war. Teile der Decke waren heruntergefallen und das Wasser tropfte kontinuierlich auf den Fußboden. Dass das Erdbeben aus dem vergangenen Jahr noch Auswirkungen auf die Gegenwart haben könnte, hatte ich so nicht erwartet. Doch niemand ließ sich aus der Ruhe bringen. Jeder sah der Tatsache ins Auge und packte mit an! Gemeinsam räumten wir den Raum aus und trugen Tische, Stühle, sowie alles Weitere hinauf ins Haupthaus. Mit einem derartigen Ereignis am ersten Tag hatte ich im Flugzeug natürlich nicht gerechnet. Aber ich war sehr positiv überrascht von dem Teamgeist, den alle aufbrachten, um aus der Situation so schnell es geht das Beste zu machen!
In den kommenden Wochen gestaltete ich, zunächst gemeinsam mit David, später in Eigenarbeit, Unterrichtsstunden mit den Kindern. Die Englischkenntnisse der Kinder gehen sehr stark auseinander. Besonders Pian, Irvan und Putri, die bereits von Beginn an in ANAK DOMBA leben, zeigen größeres Interesse an der Sprache und fallen durch bessere Leistungen auf. Kinder, die erst seit kürzerer Zeit im Waisenhaus sind, zeigen sich eher unsicher und weniger sprechfreudig, was jedoch nachvollziehbar ist, da sie sich ja noch nicht allzu lange mit der englischen Sprache beschäftigen. Mit jeder weiteren Unterrichtsstunde habe ich festgestellt, dass ich mit dem „klassischen Englischunterricht“, wie ich ihn beispielsweise aus meiner Schulzeit kenne, eher weniger erreichen kann. Den Kindern fällt es sehr schwer in Eigeninitiative zu lernen, da sie das Lernen in der Schule schlicht und einfach nie erlernt haben. Aus diesem Grund habe ich mich fortan vor allem darauf fokussiert, viel mit den Kindern zu sprechen und sie zum Englisch sprechen untereinander zu motivieren. Dazu habe ich den Unterricht nicht auf eine konkrete Stunde konzentriert, sondern eher den Tag begleitet, indem ich mich im Alltag viel mit den Kindern beschäftigt habe, sie zum Sprechen animiert habe und sie dabei unterstützt habe, voneinander und miteinander zu lernen. Mir war es ein Anliegen, dass zunächst jeder Spaß an der Sprache entwickelt und jeder spricht, ohne Angst davor zu haben Fehler zu machen.
Während meiner Zeit im Waisenhaus habe ich festgestellt, dass es über den Englischunterricht hinaus noch viele weitere wichtige Themen gibt, die dringend angesprochen werden müssen. Durch eine „Erkältungswelle“, bei der sich mehrere Kinder gegenseitig ansteckten, wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie dringend aufklärende Arbeit noch nötig ist. Bakterien und Viren waren den Kindern aus dem Unterricht in der Schule nicht bekannt, was mich selbst sehr schockiert hat. Hier konnten David und ich bereits einige Informationen und Denkanstöße geben, die in unserem Wissensstand lagen. Doch es ist wichtig, dass vor allem in Zukunft noch stärker auf Bildung im medizinischen Bereich geachtet wird. Sexualerziehung ist ebenfalls ein wichtiger Themenbereich, der im Bildungsprogramm von ANAK DOMBA in Zukunft einen wichtigen Stellenwert bekommen sollte, gerade wenn die Kinder nun älter werden.
Ebenso der Umgang mit dem Plastikmüll. Alles im Detail zu erläutern würde hier jedoch zu weit führen. Festhalten möchte ich zuletzt nur, dass es wichtig ist Praktikanten vor Ort zu haben, die den Alltag mitgestalten und ein offenes Ohr und Auge für die Probleme und Anliegen der Menschen haben.
Meine Arbeit als Praktikantin in ANAK DOMBA widmete ich nicht ausschließlich dem Englischunterricht. Darüber hinaus habe ich beispielsweise gekocht als Mrs. Adriana krank war, benötigte Kleidung für die Kinder gekauft, Nachttische anfertigen lassen, Hustensaft für die erkälteten Kinder hergestellt, gemeinsam mit Sven, (einem weiteren Vereinsmitglied, der uns für 2 Wochen besuchte) weitere Musikinstrumente angeschafft, Gespräche mit Lehrern geführt, und was sonst noch auf dem Programm stand erledigt.
Das Hauptaugenmerk habe ich neben dem Englischunterricht vor allem auf das Thema „Gesunde Ernährung“ gelegt, dem ich auch in Deutschland außeruniversitär einen großen Teil meiner Freizeit widme. Ich sehe eine gesunde Ernährung als einen der wichtigsten Prädiktoren für die menschliche Gesundheit. Daher war es mir ein besonderes Anliegen, mein Wissen in Form von Unterrichtsstunden, sowie durch das gemeinsame Kochen mit Mrs. Adriana und den Kindern zu teilen. Darüber hinaus haben wir einen Seminartag veranstaltet, zu dem auch weitere interessierte Menschen aus der Gemeinde eingeladen wurden. Eny, die Waisenhausmama, diente als Übersetzerin für meinen Vortrag in englischer Sprache. Fokussiert habe ich mich besonders auf die Grundlagen der Ernährungslehre. Zudem stellte ich die pflanzenbasierte Ernährungspyramide vor und sprach über die Probleme einer Mangel- bzw. unausgewogenen Ernährung und den damit verbundenen Risiken. Im Anschluss an das Seminar aßen wir alle gemeinsam. Es gab indonesisches Essen, das nach dem im Seminar erlernten Wissen zubereitet wurde und Obstsalat als Nachtisch. Beim Essen zeigte sich, dass sich die Kinder, aber auch die anderen Gemeindemitglieder sehr für neues Wissen interessieren und sich darüber freuen Neues zu lernen. Sie stellten viele Fragen und wollten wissen, wie sie das Erlernte noch besser in die Praxis umsetzen können.
Was mir besonders im Gedächtnis blieb, ist die Aussage des Pastors, der das Seminar ebenfalls aufmerksam verfolgt hatte. Am Ende bedankte er sich herzlich bei mir. Er sagte, er sei sehr dankbar dafür, dass ich ihm die Chance auf Bildung in diesem Bereich ermöglicht habe und ihm die Augen
geöffnet habe. Denn er wusste zuvor nicht, dass es wichtig ist Obst und Gemüse zu essen. Von Vitaminen und Mineralien hatte er noch nie zuvor gehört. Er machte mich auch darauf aufmerksam, dass Obst sehr teuer ist auf Bali. Deshalb können sie nur wenig davon essen, obwohl es ihnen allen gut schmeckt.
Nach 8 Wochen in ANAK DOMBA war es am 19.04.2019 für mich an der Zeit den Rückflug anzutreten und „Auf Wiedersehen!“ zu sagen. Es ist mir sehr schwer gefallen, doch ich bin mir sicher, dass ich die Kinder, Eny, Mrs. Lie und Adriana eines Tages erneut besuchen werde. Sie sind mir schließlich alle sehr ans Herz gewachsen und ich bin gespannt, wie ihre Zukunft aussieht.
Zurück in Deutschland bemerke ich erst, wie sehr mich meine Zeit auf Bali zum Nachdenken angeregt hat. Denkwürdige Aussagen, wie die des Pastors, interessante Begegnungen, unerwartete Situationen und Erfahrungen beschäftigen mich noch heute weiter in meinem Alltag. Auf
Bali konnte ich die deutsche Gesellschaft zum ersten Mal distanziert und aus einem anderen Blickwinkel betrachten, wie ich es noch nie zuvor getan habe. Mir wurde bewusst mit welcher Selbstverständlichkeit wir an den Tag gehen und über Dinge sprechen, die in vielen anderen Ländern der Erde nicht einmal denkbar sind. Ja, wir sind fortschrittlich in unserer Gesellschaft und wir haben uns einen Wohlstand aufgebaut, den es in vielen anderen Ländern so in naher Zukunft nicht geben wird. Wir haben ein Dach über dem Kopf, bei dem wir nicht fürchten müssen, dass es in naher Zukunft einstürzen wird, wir haben das große Glück Bildung zu erfahren, leben in einer Demokratie, Sexualität ist kein Tabu Thema mehr in der Gesellschaft, wir haben ausreichend Nahrungsmittel und können uns diese leisten, ein gut funktionierendes Gesundheitssystem, ... - Ich könnte die Liste noch unendlich weiterführen und Dinge aufzählen, über die wir uns so oft beschweren, obwohl wir im Gegenteil unendlich froh darüber sein sollten, dass wir in einem der reichsten Ländern der Welt leben, all dies zur Verfügung haben und mehr besitzen, als wir jemals zum Leben
benötigen.
Für viele Menschen auf Bali, wie auch für viele andere Menschen der Erde, ist all dies undenkbar. Ich sehe es als große Chance mit ANAK DOMBA einen Ort zu schaffen, an dem die Kinder Bildung erhalten. Denn die Generation von heute trägt ihre Kenntnisse an die Generationen von morgen weiter und somit wird es möglich sein, in Zukunft noch mehr Menschen zu erreichen. Dabei geht es nicht darum von Beginn an alles perfekt zu machen. Wir können von Deutschland aus einen Anfang schaffen, Wege eröffnen, dabei unterstützen stets das Beste aus der Situation herauszuholen und versuchen in dem uns möglichen Rahmen an der Utopie einer besseren Welt beizutragen. Doch wir müssen uns auch im Klaren darüber sein, dass der Gedanke an eine „bessere, heile Welt“ immer eine Utopie bleiben wird. Nicht alles geschieht von heute auf morgen. „Gut Ding will Weile haben!“, so lautet ein altes Sprichwort und dies hat sich für mich auch vor Ort in ANAK DOMBA bestätigt. Es ist unglaublich, was schon alles erreicht werden konnte. Doch es ist auch klar, dass noch viel Unterstützung notwendig ist und diese niemals enden darf. Für uns ist es vielleicht nur ein kleiner Mitgliedsbeitrag, eine Spende oder ein Praktikum. Für die Menschen vor Ort bedeutet es mehr als alles andere auf der Welt. Jeder kann Gutes tun. Man muss nur damit anfangen!
Emily